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Die Geschichte des Heideheims

So fing alles an !

Ähnlich wie im Jahre 1945 vollzog sich der Zusammenbruch Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg im Jahre 1918. Vier Jahre lang hatte der Krieg Deutschland in Atem gehalten. Viele geistige und materielle Werte waren vernichtet worden. Diese Umstände hatten den Menschen aus dem festen Gefüge der letzten Jahrzehnte herausgelöst, welches dem Leben seiner Vorfahren Halt und Wertmaße gab. Die bisher festgefügten Institutionen Familie, Kirche und Schule hatten ihren Einfluss zum Teil verloren. Neue Wege in der Erziehung der Jugend mussten gefunden werden.

Die Lehrkräfte der städtischen Berufsschulen Hannovers sahen in dem damals aufkommenden Gedanken des Schullandheims einen neuen Weg zur Förderung der Jugendpflege und Jugenderziehung. Hierbei ist zu beachten, daß die Situation der Berufs- schule in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eine andere war, als wir sie heute kennen. Die Schüler der Berufsschulen kamen zum größten Teil aus den sozial schlecht gestellten Schichten. Die Folgen des Krieges, insbesondere der Hungerjahre, waren hier besonders zu spüren. Der Gesundheitszustand der Schüler war dementsprechend schlecht. Der Gedanke der Freizeitgestaltung, der Jugendpflege und des Jugendsports - damals zum Teil neue Begriffe - wurden aus diesem Grunde von den öffentlichen Verwaltungsstellen besonders propagiert. Sportplätze, Freizeitheime und Häuser der Jugend waren wenig vorhanden. in dem Gebiet der Stadt Hannover waren die Möglichkeiten zur Lösung des Problems äußerst gering. Man e-r kannte die Notwendigkeit, daß die Schüler aus ihrer gewohnten Umgebung herausgelöst werden mußten, um sie an die Auf- gaben des Lebens heranzuführen. Die Schüler sollten ni einem ihnen gehörenden Landheim bei Spiel, Sport und innerer Besinnung Abstand gewinnen von den sie sonst umgebenden Scheinwerten der Zivilisation.

Eine Gruppe interessierter Kolleginnen und Kollegen schloss sich gleich nach dem Weltkrieg zusammen und griff den Gedanken des Schullandheims auf. Sollte er verwirklicht werden, so war Eile geboten. Die deutsche Währung zeigte ihre ersten Schwankungen und es war anzunehmen, daß eine ständig fortschreitende Geldentwertung einsetzen würde. Die erste Aufgabe war, für den Ankauf eines geeigneten Grundstücks die Geldmittel zu beschaffen. Obwohl maßgebliche öffentliche Verwaltungsstellen erhebliche Mittel zur Verfügung stellten, mußte durch eigene Arbeit Geld aufgebracht werden. Jede Berufsschule versuchte deshalb durch irgendwelche Mitarbeit Hilfezu leisten. So stellten die graphischen Abteilungen Postkarten her, die als Bausteine zum Preise von einer Mark verkauft wurden. Vorhandene Schülerkapellen veranstalteten in Sälen und Schulfesträumen Konzerte, verbunden mit Vorträgen, Deklamationen, Volkstänzen und Schaubildern. Der Eifer der Lehrer und Schüler war so groß, daß für einige Veranstaltungen der Kuppelsaal der hannoverschen Stadthalle gemietet werden mußte, um alle Besucher unterbringen zu können. Der Reinerlös aller Veranstaltungen floss in die große Kasse zur Beschaffung eines Grundstücks. Weitere Geldmittel kamen durch Spenden zusammen. Verschiedene Handwerksorganisationen, Gewerkschaften und Vereine stellten für das geplante Schullandheim Gelder zur Verfügung.

Die Vereinsgründung

Nach Abschluß der Geldbeschaffungsaktion war der Reinerlös groß genug, um ein geeignetes Grundstück zu erwerben. Zuerst wurde jedoch der rechtlichen Seite entsprochen. 1920 wurde der »Verein Heideheim der Städtischen Gewerblichen Berufs-

schulen Hannover e. V«. gegründet und unter diesem Namen ins Vereinsregister eingetragen. Alle Lehrerinnen und Lehrer sowie alle Schüler der Berufsschulen wurden Mitglieder. Gleich - zeitig wurden alle an dieser Sammlung beteiligten Innungen, Gewerkschaften und Vereine als korporative Mitglieder auf- genommen.

Auf der Suche nach einem Grundstück

Nachdem nun die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung standen, konnte die zweite Aufgabe in Angriff genommen wer- den: die Beschaffung eines Grundstücks. Auch hier zeigten sich Schwierigkeiten. Angesichts der angespannten Wirtschaftslage war kaum jemand gewillt, Land zu verkaufen. in den bekannten hannoverschen Tageszeitungen wurden Annoncen aufgegeben. Nach langer Wartezeit meldeten sich zwei Landwirte, die zum Landverkauf bereit waren. Der Vorstand und einige Kollegen nahmen nun die Landbesichtigung vor. Leider wurde festgestellt, daß das Angebot des ersten Interessenten, der Ländereien im Kreise Neustadt am Rübenberge verkaufen wollte, nicht in Frage kam. Die Besichtigung des zweiten angebotenen Grundstücks lief weitaus besser aus. Das Grundstück eignete sich vorzüglich für ein Schullandheim. Es lag mitten mi Wald, in der Nähe der Gemeinde Bissendorf, abgeschlossen vom Verkehr und trotzdem gut mit der Bahn oder dem Fahrrad zu erreichen. Frau Direktor Weigelt beschreibt das Gelände wie folgt:

Wer beute das Gebiet des Heideheims betritt, ahnt nichts von der Unberührtheit der Natur in den ersten Jahren. Im Frühling freute sich das Auge an den vielen blauen Blütenkelchen des Enzians, im Herbst standen überall Glockenbeide und Erika in voller Blüte, in unmittelbarer Nähe fand man Pilze und Heidelbeeren zur Bereicherung des Küchenzettels.

Man hatte gesucht und gefunden. So konnte im Jahre der Gründung des Vereins das erste Stück Land gekauft werden. Laut Kaufvertrag erklärte sich der Bauer Kuhls aus Gailhof bereit, zwanzig Morgen Waldbestand und Wiese an den Verein Heide- heim für 10000 Mark zu verkaufen. Dank der Opferbereitschaft der Lehrerinnen, Lehrer und Schüler der Berufsschulen, der öffentlichen Verwaltungsstellen und der Innungen, Gewerkschaften und Vereine konnte das Land ohne Aufnahme von Fremdkapital angekauft werden.

Die wichtigsten Schritte waren nun erfolgreich abgeschlossen

worden. Der große Gedanke einer verhältnismäßig kleinen Gruppe hannoverscher Gewerbelehrerinnen und Gewerbelehrer war durch die Gründung des Vereins und durch den Ankauf des Grundstücks ni die Wirklichkeit umgesetzt worden. Wenn wir die Leistungen aus unserer heutigen Sicht betrachten, dann können wir nur anerkennend feststellen, daß von der Idee des Schullandheimgedankens bis zur Ausführung und Gestaltung nur eine kurze Spanne Zeit vergangen war und in dieser Zeit Großes geschaffen wurde. Trotz vieler Gegenstimmen von Zweiflern und Neidern war das Werk gelungen, und die städtischen Berufsschulen Hannovers konnten sich rühmen, die Voraussetzungen für das erste Schullandheim der bisher stief- mütterlich behandelten Berufsschuljugend geschaffen zu haben.

Ein Blockhaus wird gebaut

Lehrer und Schüler nutzten nun eifrig jede Gelegenheit, am Wochenende nach Bissendorf zu fahren. Bis jetzt war nur das Gelände vorhanden. Übernachtet wurde in mitgebrachten Zelten. Verschiedene ältere Herren, ehemalige Schüler und Lehrer, bestätigten mir immer wieder, daß sie gern nach Bissendorf gefahren sind und dort sehr schöne Stunden verlebt haben. Sollte nun aber der Plan des Vorstandes weiter Gestalt annehmen, dann mußte der Bau eines Ubernachtungshauses in Angriff genommen werden. Man entschloss sich für ein Blockhaus mi bekannten amerikanischen Pionierstil. Freiwillige Helfer begannen im Frühjahr 1921 den Bau. im Juni 1921 hatte man das Skelett des Hauses fertig. Es ist zu berücksichtigen, daß Lehrer und Schüler für den Bau des Hauses nur das Wochenende zur Verfügung hatten. Aber bereits Ende Juli 1921 konnte es seiner Bestimmung übergeben werden. 25 Jugendliche konnten in dem Haus übernachten.

Durch diese neue Ubernachtungsmöglichkeit fanden immer mehr Jugendliche den Weg zum Heideheim, so daß der Platz bald nicht mehr ausreichte. Viele Jugendliche mußten weiterhin in Zelten übernachten. Infolge der übergroßen Bodenfeuchtigkeit war das Schlafen im Zelt nicht immer angenehm. Durch den Bau einer Badegelegenheit, die schon immer der Wunsch der Heideheimfahrer war, hoffte man den Grundwasserspiegel etwas zu senken. Der anfallende Sand wurde zur Aufschüttung der Wege benutzt. Keiner der in Bissendorf tätigen Lehrer und Schüler konnte sich über Arbeitsmangel beklagen.

Das Ubernachtungsgebäude Nr. 2 entsteht

Obwohl man 1922 das Blockhaus erweitert hatte, mußte ein zweites Ubernachtungshaus geplant werden, das noch mehr Jugendlichen Platz und zugleich genügend Raum für den Tagesaufenthalt an Schlechtwettertagen bot. Im Jahre 1923 entschloss man sich dann zum Bau eines neuen Blockhauses, das etwa 20 m vom alten entfernt liegen sollte. Die Skizze läßt erkennen, daß wiederum der gleiche Stil wie bei Haus 1gewählt wurde. Wie aber sollte die Arbeit ausgeführt werden? Der erste Bau hatte gezeigt, daß Wochenendarbeiten ein so verhältnismäßig großes Bauvorhaben nicht zuließen. Ein anderer Weg mußte gefunden werden. Durch einen Erlass des Herrn Ministers für Handel und Gewerbe vom August 1924 hatte die Berufsschule die Erwerbslosenbeschulung zu übernehmen. Durch geschickte Verhand- lung mit dem Arbeitsamt konnte erreicht werden, daß die erwerbslosen Jugendlichen mi Heideheim beschult wurden und zugleich produktive Arbeit leisteten. Sei wurden von den Vermittlern ausgesucht und fuhren dann mit einer Lehrkraft ins Heideheim. Der Vertrag mit dem Arbeitsamt besagte, daß die Erwerbslosen eine Stunde Unterricht, eine Stunde Sport und sechs Stunden Arbeit zu leisten hatten. Als Gegenleistung erhielten sie freie Unterkunft und Verpflegung und ein wöchentliches Taschengeld von zwei Mark. So schwierig es mi al- gemeinen war, die Erwerbslosen mi städtischen Schulbetrieb zu unterrichten, so schwierig waren auch die ersten Versuche mi Heideheim. Der Vermittler des Arbeitsamtes schickte in der Hauptsache Erwerbslose der Holz- und Metallberufe. Man kann sich gut vorstellen, daß nicht immer die besten Gesellen arbeitslos waren.

Durch geschickte Führung dieser jungen Menschen gelang es aber doch, sie von dem ideellen Wert ihrer neuen Arbeit zu überzeugen. Sie gewannen an der Arbeit immer mehr Freude und wollten nach Ablauf ihrer siebentägigen Arbeitszeit - die Jugendlichen wurden wöchentlich ausgewechselt - nicht in die Stadt zurück. Sie verstanden es, auf möglichen und unmöglichen Wegen eine neue Arbeitsverpflichtung vom Arbeitsamt zu erhalten. Die Lehrkräfte staunten nicht selten, wenn am Beginn der neuen Woche wiederum die alten Arbeitskräfte erschienen. So kamen dann wöchentlich zwischen dreißig und vierzig Jugendliche, die bei der Arbeit von Lehrkräften angeleitet wurden. Der Bau des zweiten Blockhauses, Wegebefestigungen und der Ausbau des gesamten Geländes wurden in Angriff genommen. Die bisher primitiven Kochgelegenheiten genügten nicht mehr. Es entstand ein Küchenhaus sowie ein Vorrats- und Verkaufshaus. Beide Häuser wurden durch ein Dach verbunden, so daß selbst bei Regenwetter der Küchendienst weiterarbeiten und das Essen im Trockenen ausgeben konnte. Zur Wegbefestigung und Heranschaffung der erforderlichen Sandmassen hatte man als Hilfsmittel Feldbahngeleise und Loren zur Verfügung; der Arbeitseinsatz lief also auf Hochtouren. Besonders aber wandte man sich dem Projekt des zweiten Blockhauses zu. Endlich konnte man nun auch hier an die Verwirklichung denken. Im September 1924 wurde das Richtfest gefeiert. Im August 1925 war das Blockhaus II fertig, und die Innenarbeiten konnten dann bis Mitte September abgeschlossen werden. Außer den Schlafräumen enthielt das .2 Blockhaus einen wunderschönen Aufenthaltsraum. Nun war es soweit.

Am 13. September 1925 wurde das Blockhaus II eingeweiht. Man kann sich gut vorstellen, daß dieser Tag für alle Kolleginnen und Kollegen der städtischen Berufsschulen besondere Bedeutung hatte. Wieder war man dem gesetzten Ziel einen Schritt nähergekommen. Zu der Einweihungsfeier wurden sämtliche Mitglieder eingeladen. Auf der Spielwiese - heute der Sportplatz -hatte man ein großes »Schützenfestzelt« auf- geschlagen. Darbietungen, ähnlich wie die zur Geldbeschaffung mi Jahre 1920, wurden vorgeführt. Viele Ehrengäste waren eingeladen. Sie sollten sehen, daß das zum Teil von ihnen gespendete Geld nicht unnütz ausgegeben war, sondern daß man hier für die werktätige Berufsschuljugend etwas Großes und Schönes geschaffen hatte.